Es ist toll, das eigene Buch in Händen zu halten. Und es ist ein großartiges Gefühl, wenn es in einem großen Kinderbuchverlag erschienen ist. Denn das bedeutet, dass ich mit sehr erfahrenen Lektorinnen zusammenarbeiten durfte und von dem Vertrieb des Verlags profitiere. Eines meiner Bücher ist ins Kroatische übersetzt worden. Ein anderes ist mittlerweile in mehreren Auflagen erschienen. Das ist großartig!
Aber wenn ich nur schreibe, wenn ich einen Verlagsvertrag habe, dann muss ich sehr viel warten. Und das bringt mich nirgendwo hin.
Verlage machen Programmplanung
An der Programmplanung des Verlags sind viele Menschen aus verschiedenen Abteilungen beteiligt. Lektorinnen stellen die Projekte vor, die sie gerne umsetzen möchten und es gibt Feedback von der Geschäftsführung und vom Marketing.
Das Programm ist nicht das Programm für den Herbst diesen Jahres sondern eher für 1 1/2 bis 2 Jahre in der Zukunft, je nach der Größe des Verlags und den internen Abläufen.
Wenn dein Projekt dort nach einigen Wochen oder Monaten des Wartens besprochen wurde und du den Vertrag bekommst und es umsetzen darfst, dann ist es Zeit für eine Party. Aber das Buch wird erst in etwa 2 Jahren erscheinen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob du das gesamte Manuskript schon fertig hast oder nur Exposé und Leseprobe eingereicht hast. Wenn nicht kurzfristig Programmplätze frei werden, dann sind das die ganz normalen Zeiten.
Verlage vergeben selten Aufträge
Wenn du dich für eine Reihe bewirbst, die der Verlag geplant hat und dann von verschiedenen Autorinnen schreiben lässt, bekommst du einen Auftrag vom Verlag. Aber das ist eher selten. In der Regel bewirbst du dich mit einem oder mehreren Projekten bei einem Verlag und schlägst der Lektorin also Geschichten vor. Sie prüft, ob sie ihr gefallen und checkt dann, ob sie ins Verlagsprogramm passen und ob sie auch die anderen Abteilungen von deiner Idee überzeugen kann (siehe oben).
Das heißt, du brauchst eine gut ausgearbeitete Idee, und um von einer Idee zu einer Leseprobe und einem überzeugenden Exposé zu kommen, dauert es meist drei Monate. Und wenn du die Geschichte einfach nicht zu fassen bekommst oder das Leben um dich herum gerade herausfordernd ist, kann es auch schonmal 6 Monate oder ein Jahr dauern. Manche Geschichten sträuben sich oder brauchen Zeit, um ausgebrütet zu werden.
Es ist also gut, immer direkt an der nächsten Idee zu tüfteln, wenn du etwas abgeschickt hast und auf Antwort wartest.
Erfahrung kommt nicht vom Warten
„If you wait for Inspiration to write, you are not a writer, you are a waiter“, sagt Dan Poynter. Dieses Zitat wird nicht nur wegen des Wortspiels häufig zitiert.
Schreiben braucht Übung. Möglichst täglich. Um so mehr Ideen du im Kopf und auf dem Papier durchgespielt hast, um sehr mehr wächst dein Gefühl für Geschichten und gute Figuren.
Illustratorinnen feiern ihr Sketchbook und wir brauchen als Autorinnen auch eine Methode, um zu denken und uns zu entwickeln. Ein Schreibjournal, die sogenannten Morgenseiten oder eine Schreibgruppe eignen sich dafür sehr gut.
Durch tägliches Journaling und Ideenbücher schulst du aber nicht nur deinen Stil und deine Technik. Du gehst auch mit anderen Augen durch deinen Alltag.
Was das mit meinem Zahnarzt zu tun hat
Wenn ich jeden Tag schreibe anstatt jeden Tag zu warten, verändert sich meine Haltung zu allem, was ich erlebe.
Ich habe eine tolle Zahnärztin, die mir alles gut erklärt. Ich bräuchte wirklich keine Angst zu haben. Aber ich konzentriere mich auch bewusst auf die Geschichten, die ich im Wartezimmer und von den Assistentinnen aufschnappen kann. Weil ich mich darauf konzentriere, meine Umgebung wahrzunehmen, anstatt vor dem Bohren in meinem Backenzahn Angst zu haben.
Dann erfährt man die kuriosesten Fakten, die vielleicht irgendwann zu einer Geschichte führen oder mir helfen, eine Person zu charakterisieren:
Nach der Zahnreinigung darf ich einen Geschmack für den Lack aussuchen, der auf die Zähne gepinselt wird. Ich könnte Minze sagen und dann Angst haben, dass ich gleich im Nebenzimmer von der Zahnärztin ganz schlechte Nachrichten bekomme und mindestens sieben Löcher gebohrt werden müssen.
Ich habe mich aber für Melone entschieden und dann gefragt, ob die meisten Menschen Minze wählen. Jetzt weiß ich, dass Kinder Melone oder Erdbeere wählen. Sehr wenige Frauen entscheiden sich für die Früchte, die meisten wählen Minze. Männer auch. Aber es gibt erstaunlich viele, die nach Bier- oder Dönergeschmack fragen. Auf die Idee wäre ich nie gekommen.
Es beginnt mein Kopfkino. Könnte das eine lustige Szene in einem Liebesroman werden? Das Meet-cute? Oder gar eine ganze Krimiserie, in der eine Zahnärztin ermittelt, weil die Zähne ihr soviel über die Menschen erzählen?
Ach, diese ganzen Möglichkeiten! Wunderbar! Und nachdem ich diese Erlebnisse in meinem Notizbuch festgehalten und recherchiert habe, ob es schon eine Cozy Crime Serie mit einer Zahnärztin gibt, ruft meine Lektorin an. Mein Vertrag ist in der Post. Ich kann mit dem Schreiben für das Bilderbuch beginnen, über das wir vor zwei Monaten gesprochen haben. Es hat einen Platz im Verlagsprogramm bekommen.
5 Antworten
Du sprichst mir aus der Seele. Genau auf die Idee bin ich letzten Woche auch endlich gekommen: Einfach schreiben. Nichts anderes hatte ich mit dem Zeichnen und anderen Dingen gemacht. Aber manchmal steht sich frau selbst im Weg. Seit ich mir mehr Schreibzeit gebe, komme ich in einen neuen Schreibflow und ins Schreiben. Der Druck geht raus. Noch nicht ganz, aber fast 😉
Danke für Deinen Blogartikel, liebe Antoinette
LG Marita
Liebe Marita, das klingt super! Ohne Druck geht es so viel leichter. Alles Gute für dein Schreiben, einfach schreiben 🙂 Liebe Grüße, Antoinette
Was für ein schöner Text. Danke dir, du hast mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
Liebe Katharina, wie schön! 🙂 Das freut mich! Danke für deine Nachricht! Liebe Grüße, Antoinette