Vor einem Jahr hatte ich die Idee für ein Bilderbuch. Ich wollte eine Geschichte darüber schreiben, wie Wissenschaft und Emotionalität zusammen kommen und ich wollte mit den klassischen Rollenbildern spielen. Kein Verlag wollte die Geschichte.
Denn das sind Themen, die erst ganz langsam in dem Bewusstsein der Bevölkerung ankommen. Dazu gehören auch Patchworkfamilien, gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern oder Wohnen in Wohnprojekten und vieles mehr. In deinem Umfeld ist das wahrscheinlich kalter Kaffee, aber ein Großteil der Menschen in Deutschland hat sich mit diesen Themen noch nicht beschäftigt und wird auch in der Buchhandlung nicht danach suchen.
Menschen kaufen Bücher für Anlässe
Kinderbücher sind schon lange tot gesagt, aber es gibt sie noch. Immer wieder wird bewiesen, wie wichtig Bücher und Geschichten für die Entwicklung von Kindern sind und es gibt Initiativen, das Vorlesen und Lesen zu fördern. Aber viele Menschen in Deutschland lesen trotzdem nicht. Und wenn sie Kinder haben, lesen sie nicht vor und schenken auch keine Bücher. In Deutschland gibt es 7,5 Millionen funktionale Analphabeten. Das heißt, sie können einzelne Sätze lesen und schreiben, aber keine zusammenhängenden Texte verstehen.
Wenn Menschen Kinderbücher kaufen, dann meist aus einem Anlass wie Geburt, Taufe, Einschulung oder zu einer bestimmten Zeit im Jahr wie Ostern oder Weihnachten.
Verlage machen Bücher für den Mainstream
Damit das Buch sich gut verkauft, suchen Verlage den größten gemeinsamen Nenner der Kaufenden. Sie sind bei allem Idealismus eben Wirtschaftsunternehmen mit einer großen Marketingabteilung. Bücher zu drucken ist wie alles in den letzten Jahren teurer geworden. Was wird sich am besten verkaufen?
Da ist zwar gerade viel in Bewegung und die Kinderbücher werden langsam diverser. Es gibt immer auch Bücher, die gemacht werden, obwohl die Verkaufszahlen nicht kostendeckend sein werden. Es gibt Idealismus und es gibt auch kleine Verlage, die sich auf eine bestimmte Nische spezialisieren.
Aber wenn du ein Buch haben möchtest, das deine persönliche Familiensituation widerspiegelt, dann solltest du es selbst schreiben.
Wie kannst du deinem Kind Sicherheit geben und deine Werte zeigen?
Ganz einfach: Schreib selbst ein Buch! Du kannst eine ganz alltägliche Situation nehmen, so wie das die Conni-Bücher tun: zum Zahnarzt gehen, eingeschult werden, Fußball spielen. Du erzählst die Situation und machst dann die Bilder dazu, die zu deiner Familie passen. So kannst du deine Kinder auch auf Veränderungen wie einen Umzug, die Renovierung des Hauses oder ein Geschwisterkind vorbereiten.
Oder du erzählst eine Geschichte zu einem besonderen Thema, das euch in der Erziehung und im Miteinander gerade beschäftigt. Zum Beispiel Angst im Dunkeln, Streit unter den Geschwistern, der Tod eines Angehörigen.
Wenn du das machen möchtest, musst du etwas tiefer in die Welt des Geschichtenerzählens eintauchen. Aber keine Sorge! Ich nehme dich Schritt für Schritt an die Hand:
1. Wähle dein Thema
- Welches Thema brennt dir gerade unter den Nägeln?
- Was hast du in den letzten Tagen gelesen oder gehört?
- Was möchtest du deinen Kindern oder Enkelkindern sagen oder zeigen?
- Welche Fragen haben dir deine Kinder in letzter Zeit gestellt und welche Sorgen mit dir geteilt?
- Welche Veränderung steht bei euch an?
- Welche alltägliche Situation möchtest du deinen Kindern aus deiner Perspektive zeigen?
2. Wähle deine Hauptfiguren
Als Nächstes brauchen wir die Hauptfiguren. Ich hatte für mein Thema das Bild eines Kindes vor mir, das nicht eindeutig als Junge oder Mädchen zu identifizieren war. Das Kind sollte Luca heißen. Ich hatte vor meinen Augen ein Kind mit wuscheligen dunklen langen Haaren, die unter einer Mütze steckten. Lucas Papa ist ein Professor und spiegelt den Glauben an die Wissenschaft. Er hat keinen Zugang zu seinen Gefühlen. Er liebt sein Kind, aber weiß nicht, wie er Zeit mit ihm verbringen sollte. Also nimmt er Luca mit zur Arbeit.
Der Papa ist also eine Art Gegenspieler für sein Kind, denn er verhindert, dass Luca ein Kind sein kann. Luca benimmt sich wie ein kleiner Erwachsener. Denn er ist in der Welt der Erwachsenen.
- Sollen Menschen die Hauptfiguren deiner Geschichte sein?
- Willst du deine Familie wählen oder erfundene Figuren, die das Abenteuer erleben?
- Sollen Tiere oder die Kuscheltiere deiner Kinder die Hauptfiguren sein?
- Was ist das Besondere an deiner Hauptfigur?
- Welches Problem oder welchen Wunsch hat sie?
3. Wähle deinen Schauplatz
Die familiäre Situation soll in meiner Geschichte keine Rolle spielen, sondern nur die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren. Deshalb möchte ich die Geschichte nicht in ihrem Zuhause beginnen lassen sondern auf dem Weg zur Uni. Ich mag die Uni in Hamburg, in der ich viel Zeit verbracht habe. Weitere Orte werden Parks oder Tierparks sein. Am Ende werden sie in der Fußgängerzone in Altona sein. Aber vielleicht brauche ich noch andere Orte. Auf jeden Fall spielt die Geschichte in Hamburg in der Gegenwart.
- Spielt die Geschichte bei euch zu Hause?
- Welcher Ort passt zu deinem Thema?
- Ist der Ort real oder erfunden? Du kannst diese beiden Aspekte auch mischen und einen geheimen Raum in eurem Zuhause als Schauplatz wählen.
- Gibt es verschiedene Orte, an denen deine Geschichte spielen kann oder geschieht alles in einem Raum oder auf einem Spielplatz?
4. Wo beginnt die Geschichte?
Jede Geschichte braucht „ein auslösendes Ereignis“. Irgendetwas katapultiert die Figuren von ihrem Alltag in eine außergewöhnliche Situation. In meiner Geschichte nimmt der Papa Luca montags immer mit in die Uni. Vielleicht ist Luca montags nicht in der Kita. Dafür fallen mir gleich mehrere Gründe ein, vielleicht spielt das auch keine Rolle. Aber dieser Montag ist anders. Es ist Ostermontag und die Uni ist zu. Was nun? Was soll der Papa mit Luca machen? Die beiden haben keine Idee.
- Was bringt deine Geschichte ins Rollen?
- Wie sah das Leben vorher aus?
- Kommt jemand dazu oder geht jemand weg?
- Was ist für deine Figuren heute anders als sonst?
5. Plane deine Handlung
Nun ist es Zeit für ein Brainstorming.
- Worauf läuft die Geschichte zu?
- Wie kann sie enden?
- Welche Herausforderungen werden die Hauptfiguren erleben?
- Welche Schwierigkeiten können sie überwinden?
Wenn du nicht weiter weißt, kann dir die Methode des Clusterns helfen. Ich habe sie in einem Video erklärt:
6. Ordne deine Geschichte
Da meine Geschichte ein Bilderbuch werden soll, überlege ich mir, wieviel Platz ich haben werde, um die Geschichte zu erzählen. Meistens hat ein Bilderbuch 32 Seiten. Wenn du die Umschlagseiten abziehst, bleiben dir 12 Doppelseiten, um die Geschichte zu erzählen. Wenn du mehr Platz brauchst, kannst du jeweils immer 4 Seiten hinzufügen. Das hängt mit den Druckbögen in der Fertigung zusammen.
Es ist also Zeit für das Spielen mit Ideen und Karteikarten oder Klebezetteln. Je nachdem, was dir am liebsten ist und deine Gedanken sprudeln lässt. Ich entwerfe einen Handlungsbogen und verteile ihn auf die Seiten.
- Nimm dir Zeit für das Brainstorming und das Ordnen deiner Ideen.
- Finde einen roten Faden, einen Bogen, den deine Geschichte nehmen kann.
- Um dir die Aufteilung der Seiten zu erleichtern, kannst du dir wie die Illustratorinnen Thumbnails machen. Das sieht so aus:
- Wenn du kannst, überlege dir schon einmal, welche Bilder zu deinem Text passen könnten. Wenn alle 12 Seiten zwei Kinder in der Sandkiste zeigen, solltest du deine Geschichte noch einmal überdenken und einen Ausflug einbauen, um etwas Abwechslung zu haben.
7. Das Lektorat
Wenn du Geschichten schreibst, die zu einem Verlagsprogramm passen, dann übernimmt der Verlag das Lektorat der Geschichte. In allen anderen Fällen musst dich selbst um ein Lektorat kümmern. Es gibt verschiedene Arten von Lektoraten. Lektorinnen sind oft spezialisiert auf den Aufbau der Geschichte oder den Satz und die Grammatik. Es gibt auch Lektorate für sensitivity Reading, die dir helfen, keine Stereotype zu transportieren. Andere konzentrieren sich nur auf die Rechtschreibung.
Wenn alles bereit ist und du mit der Geschichte zufrieden bist, wird der Text auf den Doppelseiten eingefügt und an die Illustratorin geschickt.
- Überarbeite den Text. Lass ihn mindestens eine Woche liegen und überarbeite ihn noch einmal.
- Suche dir jemanden, der mit dir die Geschichte durchgeht und auf Herz und Nieren prüft.
8. Illustrationen
Es gibt im Moment sehr viele YouTube Videos, in denen Menschen zeigen, wie sie mit KI Illustrationen für Kinderbücher machen und sie dann auf Amazon verkaufen. Die meisten Bücher sind ziemlich furchtbar und die Figuren ähneln sich nicht einmal auf den verschiedenen Seiten. Das wird sich sicher bald ändern. Aber im Moment erscheint mir das noch keine gute Idee. Und auch wenn es dann technisch möglich ist, werden wir sehen, ob die Bilder unseren Ansprüchen an eine gewisse Originalität entsprechen und den Kindern gefallen.
Du kannst selber malen oder fotografieren oder Collagen machen oder du engagierst eine Person, die das für dich tut. Dann musst du finanziell in das Projekt investieren, wenn du nicht eine beste Freundin hast, die Lust auf deine Geschichte hat und sie illustrieren kann.
- Erstelle Illustrationen oder beauftrage eine Illustratorin.
- Fotografiere zum Beispiel die Kuscheltiere deines Kindes, die ein Abenteuer erleben und nutze diese Fotos für dein Buch.
- Mache Collagen. Nutze also Fotografien, Papier und Stoff und gestalte die Seiten damit.
9. Veröffentlichen
Neben der Möglichkeit, in einem Verlag zu veröffentlichen, gibt es mittlerweile verschiedene Möglichkeiten, ein Buch selbst zu veröffentlichen, das so genannte Selfpublishing.
- Schick deine Geschichte an eine Agentur oder einen Verlag oder reich sie bei einem Wettbewerb ein. In der Regel reichst du bei Agenturen oder Verlagen nur den Text ein, wenn du nicht selbst Illustratorin bist.
oder
- Veröffentliche deine Geschichte im Selfpublishing.
Wenn du Bilder benutzt, an denen du die Rechte nicht besitzt, darfst du das Buch nicht veröffentlichen. Aber du kannst es dann für dein Kind als Fotobuch drucken.
- Lasse deine Geschichte drucken und schenke sie deinem Kind oder der Person, für die sie bestimmt ist.