Warum ich ein unperfektes Video gepostet habe und warum das auch für dich eine gute Idee sein könnte

In dieser Woche bin ich viel spazieren gegangen und habe Ideen für Blogbeiträge in mein Handy diktiert. Dann kam plötzlich der Punkt, den man herbeisehnen, aber nie herstellen kann: wenn die Worte einfach sprudeln und die Gedanken im Fluss sind und sich plötzlich alles leicht anfühlt. Ich liebe das!

Dieser Moment hat mir so viel Mut gegeben, dass ich es gewagt habe, ein Video von mir zu machen, wie ich an der Nordseeküste spazieren gehe. Ich mache nie Videos von mir. Ich poste eigentlich auch keine Selfies oder andere Fotos von mir in meinen Blogbeiträgen. Wirklich nur sehr, sehr selten und das kostet mich dann viel Überwindung.

In jedem Marketing-Kurs, den ich in den letzten Jahren gemacht habe, wird das als fataler Fehler beschrieben.

Du musst dein Gesicht zeigen, wenn du eine Meinung hast und wenn du willst, dass Menschen eine Beziehung zu dir aufbauen. Oder?

Auf der einen Seite denke ich, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Denn ich mache auch Radioandachten und hab gerade einen Podcast gestartet und Menschen reagieren sehr stark, auf das, was ich sage und auf meine Stimme. Schon nach den ersten Radioandachten vor einigen Jahren habe ich Mails bekommen von Menschen, die noch mal etwas nachgefragt haben oder mir einfach schreiben wollten, die gerne sie meine Stimme hören.

Die andere Hälfte der Wahrheit will ich aber auch mit dir teilen. Ich fühle mich unwohl damit, mein Gesicht zu zeigen und mich selbst zu filmen. Es fühlt sich unfassbar fremd und unangenehm an. In den ersten Jahren im Beruf als Pastorin war es eine große Überwindung, mich immer wieder von der Lokalzeitung vor der Kirche und vor dem Altar fotografieren zu lassen. Mit einer Schultüte, einem Kürbis oder einer Handpuppe. Je nachdem, zu welchem Anlass die Lokalzeitung einladen wollte.

Kann man sich daran gewöhnen, sein Gesicht zu zeigen?

Auf YouTube schaue ich gerne Challenges, die Menschen sich stellen um etwas Neues zu lernen. Denn ich liebe es bekanntlich sehr, etwas auszuprobieren, was ich noch nie zuvor getan habe. Vor einiger Zeit habe ich dann jemanden gesehen, der seine Sicherheit vor der Kamera üben wollte und 30 Tage lang jeden Tag ein Video von sich selbst aufgenommen hat. Er spricht jeden Tag etwas in die Kamera, um seine Präsenz und sein Selbstbewusstsein zu verbessern. Das hat mich sehr beeindruckt.

Ich bin ja eine große Verfechterin von dem Grundsatz: du kannst alles lernen, wenn du dich mit einer Sache beschäftigst und dir dann einen Plan machst, wo du anfangen musst. In diesem Fall ist es ganz einfach. Ich müsste mir nur ein Thema nehmen und jeden Tag ein Video von mir aufnehmen, um zu sehen, wie sich meine Kamera-Präsenz verbessert und mein Widerstand gegen das Filmen von mir selbst hoffentlich langsam kleiner wird.

Aber ich hab’s nicht gemacht. Denn ein wichtiger Schritt fehlt noch.

Die Entscheidung, aus der Komfortzone heraus zu kommen und diesen Weg zu starten.

Als ich hier an der Nordsee am Ufer spazieren gegangen bin und zugesehen habe, wie das Eis in der Sonne funkelt und die Vögel schwärme über mich rüberziehen, da habe ich über meinen Online Kurs nachgedacht.

Ich habe in den letzten zehn Jahren viele Fortbildung gegeben, in Präsenz und auch online, und viel Erfahrung in der Erwachsenenbildung gesammelt. Ich liebe es, Fortbildungen zu geben und mit anderen zusammen zu arbeiten, ihnen dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten zu erweitern und dabei selbst zu lernen, was ihre Schwierigkeiten und Erfolge sind auf dem Weg.

Was ich in diesem Zusammenhang aber noch nie machen musste, ist mit meinem Gesicht zu werben. Denn die Kurse fanden immer zu einem bestimmten Thema und in einem festen Rahmen statt. Bei Tagungen oder in einer größeren Fortbildungsreihe, in der ich nur ein Teil war. Oft waren Teilnehmende nicht freiwillig da und ich war herausgefordert, den Menschen mein Thema schmackhaft zu machen und sie dazu einzuladen, etwas aus meinem Erfahrungsschatz zu nehmen und für ihren Alltag zu prüfen und weiter zu entwickeln.

Auch das liebe ich. Ich habe keine Angst, wenn Menschen mit verschränkten Armen vor mir sitzen und mir schon in der Vorstellungsrunde sagen, dass es für sie hier nichts zu lernen gibt. Bislang hatten wir trotzdem immer einen guten Tag zusammen. Natürlich lernen wir von manchen Menschen lieber als von anderen und nicht für alle ist meine Art, Fortbildungen zu geben, die Richtige. Ich arbeite sehr stark mit den Vorerfahrungen der Menschen und fordere auch schon mal heraus, Dinge in einem anderen Licht oder aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dazu gibt es immer theoretischen Input meistens mit liebevoll gestalteten Flip Charts. Wie gesagt, das ist nicht für alle was, aber in den meisten Runden funktioniert das Prinzip gut und ich bekomme sehr schöne Rückmeldungen.

Und wenn etwas ganz, ganz neu ist?

Mit meinem Gutenachtgeschichten Kurs ist es, wie gesagt, anders. Er gehört zu keiner Reihe. Ich knüpfe nicht an einen Vortrag an, den ich gehalten habe, ich entwickle nicht ein Format für eine Gruppe, die mich angefragt hat. Ich bin außerhalb des gewohnten Fahrwassers und das kam so:

Im Advent habe ich auf meiner Website zum ersten Mal einen Adventskalender angeboten. Ich war im letzten Jahr sehr lange krank und konnte keine Anfragen annehmen, um in Kindergärten, Schulen und bei Seniorenveranstaltungen Märchen zu erzählen. Das gehört für mich allerdings zur Adventszeit seit vielen Jahren dazu.

Um also zwischen den ganzen Arztbesuchen, der Grübelei und den Sorgen jeden Tag ein kleines Highlight zu haben, hatte ich jeden Tag ein Märchen erzählt und abends an meine Newsletter Abonnentinnen verschickt. Schon im Dezember habe ich dann die ein oder andere Rückmeldung bekommen, dass Menschen gerne von mir lernen wollen, wie man Märchen für das freie Erzählen vorbereitet und wie man kleine Geschichten für den Abend auch selber schreiben kann. Denn die meisten haben mir mitgeteilt, dass sie meine Märchen am Abendbrotstisch oder direkt vor dem Einschlafen gehört haben und es ihnen zu einem wunderbaren Ritual geworden ist.

Ein Ritual wird zu einer Idee für einen Kurs

Mit Ritualen kenne ich mich aus. Dazu habe ich auch schon viele Fortbildungen gegeben. Also dachte ich, ein erster Schritt könnte sein, eine kleine Geschichte zu schreiben, die Mütter oder Großmütter in einem Abendritual für ihre Kinder einbauen können. So entstand die Idee für einen Gutenachtgeschichten Kurs.

Zu dem Kurs haben sich auch schon zwei Dutzend wunderbare Frauen angemeldet und er wird auf jeden Fall stattfinden. Falls du auch mitmachen möchtest, kannst du dich hier noch dazu anmelden. Der Kurs startet am 3. März 2025.

Aber es kamen auch einige Rückmeldungen von Frauen, die sagten, dass sie keine Kinder haben, die im Gutenachtgeschichten-Alter sind, aber trotzdem eine Geschichte schreiben wollen. Ich habe sie dazu eingeladen, trotzdem teilzunehmen und überlege, wie ich extra Aufgaben formulieren kann, damit es auch für andere Geschichten funktioniert. Aber die Idee war natürlich, mit Müttern zu arbeiten, ihnen zu helfen, ihre Kinder zu stärken und zu unterstützen. Jetzt will ich wieder alles gleichzeitig. Ich will allen erzählen, was ich in den letzten 20 Jahren über das Schreiben und Erzählen von Geschichten gelernt habe.

Neue Zweifel. Geht alles auf einmal?

Das ist sicher ein ehrenwertes Ziel, aber wenn ich das Wissen aus den Marketing-Kursen der letzten Jahre im Hinterkopf habe, muss ich zugeben: eigentlich ist das keine gute Idee.

Du brauchst eine Zielgruppe, wenn du einen Kurs anbieten willst, nicht zwei oder drei.

Und das ist der Moment, wo die Zweifel rein kicken. Die Zweifel an meiner Idee, die Zweifel, ob ich nicht klar genug und entschieden war in meinen Entscheidungen. Die Zweifel an einfach allem.

Und wenn ich dann das Video ansehe, das ich auf dem Weg an der Nordseeküste aufgenommen habe, dann kommen dazu noch die persönlichen Zweifel und Unsicherheiten dazu. Ich habe Ringe unter den Augen, weil ich seit über einem Jahr nicht mehr durchgeschlafen habe. Nach der Operation hat mein Körper angefangen, meine Muskeln in Fett umzuwandeln und ich finde erst langsam die Kraft wieder, dagegen anzuarbeiten. Mein Gesicht sieht durch die verspannten Muskeln am Kiefer aufgequollen aus. Ich bin also nicht besonders glücklich mit meinem Spiegelbild. Aber ich werde meine Aufnahme nicht mit einem KI Filter bearbeiten.

Wie gut is gut genug? Was ist schön genug?

Denn ich bin Pastorin. Meistens stelle ich mich als Kinderbuchautorin und Märchenerzählerin vor, manchmal als Kommunikationsberaterin oder Pädagogin. Je nachdem, in welchem Umfeld ich mich bewege. Aber ich bin eben auch Pastorin und als solche lese ich regelmäßig in der Bibel und bin fest davon überzeugt, dass wir als Menschen vollkommen sind. Wunderbar gemacht und mit einem göttlichen Funken versehen, wie auch immer du den in deiner Weltanschauung benennen möchtest.

Ich bin davon überzeugt, dass es okay und wichtig ist, sich auch mal schwach zu zeigen. Das zu predigen, wenn man sich selbst stark fühlt, ist die eine Sache. Das zu leben, wenn man sich selbst schwach fühlt, noch mal eine andere.

Ich war immer sehr stolz auf meine Ehrlichkeit, auch wenn mich das schon oft in schwierige Situationen gebracht hat. Deshalb habe ich im Sommer angefangen, in meinem Blog auf die Monate zurückzublicken, über meine Krankheit und über meine Schwäche zu schreiben. Über das nicht-mehr-funktionieren und nicht-mehr-durchhalten. Über das um Hilfe bitten und über das langsamer-sein.

Der erste Blog-Beitrag war sehr, sehr schwer. Aber mit der Zeit ist es leichter geworden und ich habe gemerkt, dass ich mich durch das Schreiben auch selbst vergewissern kann.

Wie kann ich mich selbst vergewissern?

Wir können uns ja nur bedingt davor schützen, was Tag für Tag in den Nachrichten auf uns einprasselt. Schönheitsideale genauso wie schlechte Nachrichten und Prognosen. Jeder gestaltet die Wirklichkeit ein bisschen mit. Und dazu gehört eben auch, sich über die eigenen Werte und Anschauungen klar zu werden und sie zu festigen. Natürlich darf ich sie auch immer mal wieder in Frage stellen, aber ich muss sie mir auch immer wieder vor Augen zu führen. Deshalb schreibe ich, das habe ich in diesem Blog schon oft betont, jeden Morgen Morgenseiten.

Diese Seiten sind Momentaufnahmen. Wie geht es mir an diesem Tag zu dieser Stunde? Auch Selfies und Videos sind Momentaufnahmen. Nächste Woche wird es mir anders gehen und nächste Woche weiß ich nicht mehr, wie es mir heute ging, wenn ich es nicht festhalte. Das ist manchmal bestimmt auch gut.

Aber ich erinnere mich daran, dass ich als Jugendliche eine sehr lange Zeit hatte, in der ich überhaupt nicht fotografiert werden wollte. Und wenn ich Fotos von mir gesehen habe, dann fand ich sie furchtbar und so ging es mir immer mal wieder in manchen Phasen meines Lebens. Wenn ich mir die Fotos jetzt angucke, die ich früher furchtbar fand, dann freue ich mich darüber, dass sie mir einen kleinen Stück Vergangenheit zeigen, dass ich sonst so nicht vor Augen hätte.

Das versuche ich auch meinen Kindern zu sagen, wenn ich ein Foto von ihnen machen will und sie sich die Mützen über die Gesichter ziehen. Aber das ist okay. Sie dürfen das für sich entscheiden. Vielleicht kann man das erst im Nachhinein zu schätzen wissen.

Ich habe mir das Video von mir nochmal angeschaut. Ich habe Ringe unter den Augen und mein Gesicht sieht etwas aufgegequollen aus, der Ton ist nicht perfekt, weil ich mir noch kein Ansteckmikrofon gegönnt habe und zwischendurch doch der Wind in das Mikrofon vom Handy pfeift. Ich habe es trotzdem gepostet.

Hier kannst du das Video sehen. Ich habe es auf Instagram gepostet.

Trotzdem posten. Unperfekt.

Weil ich mir ein Social Media wünsche, das nicht von gefilterten Hochglanzfotos und Videos überschwemmt wird. Weil ich mich in ein paar Monaten daran erinnern möchte, wie es mir im Februar ging und dass ich mich trotzdem getraut habe, zu meinem unperfekten Kurs einzuladen, mit einem unperfekten, ungeschminkten Gesicht und einem unperfekten, nicht bearbeiteten Ton.

Vielleicht macht es nicht viele Menschen auf meinen Kurs aufmerksam. Aber so können meine Kinder zumindest sagen: „Mama hat sich was getraut. Sie ist aus ihrer Komfortzone ausgestiegen und hat sich gezeigt. Vielleicht traue ich mich das dann auch?“

Und vielleicht traust du dich auch, dich unperfekt zu zeigen. Deine Stimme zu erheben und über etwas zu sprechen, was dir wichtig ist. Ich feiere dich dafür und bin gerne deine Cheerleaderin 🥳

Du wirst dich daran gewöhnen, vor der Kamera zu sprechen.

Du wirst dich daran gewöhnen, dein Gesicht zu sehen und deine Stimme zu hören.

Du wirst bessere Videos machen, denn du wirst mit jedem Video etwas dazu lernen.

Du wirst im Internet eine Stimme von vielen sein und nicht mehr schweigen. Du stehst für dich und deine Werte ein.

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