Als Autorin muss man jedes Jahr ein Buch schreiben? Nein!

Wer nicht jedes Jahr ein Buch veröffentlicht, ist nicht mehr relevant. Diese Aussage geistert seit Jahren durch Foren und die Köpfe von ambitionierten Autorinnen. Sie erzeugt einen großen Druck. Und Druck ist etwas, das Kreative nur sehr bewusst und gut dosiert einsetzen sollten, um sich anzutreiben.

Deadlines können hilfreich sein. Aber der ständige Druck kreativ sein zu müssen, ist für die Kreativität tödlich. Denn Kreativität braucht auch Phasen, in denen sie sich wieder nähren und füllen kann. Dann purzeln die Geschichten auch wieder fast von alleine aufs Papier.

Aus Marketing Sicht wird die Antwort auf diese Frage wahrscheinlich immer „ja“ sein. Aber für deine Kreativität ist die Antwort auch immer mal wieder „Nein“.

Was ist ein guter Rhythmus?

Mein früherer Agent hat oft gesagt, Geschichten brauchen Zeit und Menschen, die große Geschichten erzählen wollen, brauchen auch immer wieder kreative Pausen, damit sie wachsen können. Oder so ähnlich. Ich erinnere den Satz nicht mehr wörtlich, aber es hat mich sehr beeindruckt, dass er diese Perspektive der Schreibenden einnehmen konnte.

Denn aus wirtschaftlicher Sicht ist es natürlich besser, immer gleich das nächste Buch anbieten zu können, wenn du für eines einen Buch-Vertrag bekommen hast. Aus wirtschaftlicher Sicht sind Eintagsfliegen nicht rentabel. Und wer einmal eine Geschichte geschrieben hat, schreibt nicht automatisch noch fünf gute.

Zeit zum Schreiben

Es ist aber auch wahr, dass es nicht nachhaltig ist, die Karriere darauf zu bauen, dass du ab und zu einen Geistesblitz hast und dann drei Tage und Nächte durch schreibst, um ein neues Werk zu verfassen. Und gesundheitlich unbedenklich ist das auch nur für ganz wenige Menschen. Deshalb empfehlen alle Schreibratgeber, dir feste Zeiten zum Schreiben einzuplanen. Was nicht in deinem Kalender steht, das findet in der Regel auch nicht statt. Jedenfalls nicht in einer Welt, in der das Ausruhen und Verarbeiten nicht zur Arbeitszeit dazu gezählt wird und wir in Time Blocks und mit Projektmanagementsystem arbeiten, um möglichst effektiv zu sein.

Der schöne Satz von Pippi Langstrumpf Erfinderin Astrid Lindgren: „Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen“ wird in diesen Tagen oft zitiert und auf bunten Bildern auf Instagram geteilt. Weil eben niemand Zeit hat, einfach aus dem Fenster zu schauen. Und damit fehlt ein wichtiger Schritt im kreativen Prozess. Diesen Schritt kannst du dir nur zurückholen, wenn du ihn, auch wenn das paradox klingt, in deinem Kalender einplanst.

Schreibregeln sind nicht zu jedem Zeitpunkt hilfreich

Beim Schreiben lernen wirst du auf sehr viele Regeln stoßen. Viele Regeln machen Sinn und manche erscheinen auch notwendig. Jede Regel kannst du brechen. Und du kannst auch eine Autorin werden, in dem du keine einzige Regel kennst, weil du in deinem Leben schon so viele Geschichten gelesen und Filme gesehen hast, dass du das Schema einer guten Geschichte schon so tief verinnerlicht ist, dass du beim Schreiben darauf zugreifen kannst.

Es gibt nicht eine Lösung für alle. Es gibt viele Erfahrungsberichte und meine Erfahrung fasse ich hier auf meinem Blog für dich zusammen. Nimm dir, was du brauchst, wie bei einem großen Buffet, aber nimm dir nicht alles auf einmal. Denn das Wichtigste auf dem Weg ist, dass du dich nicht aufhalten lässt von Regeln, die dich überfordern.

Manche Geschichten brauchen Zeit

So ähnlich ist es auch mit dem gut gemeinten Satz: Ein Autorin muss jedes Jahr ein Buch schreiben. Irgendwann in deiner Karriere bist du vielleicht an dem Punkt, wo du deinen Brojob aufgeben kannst und viel Zeit zum Schreiben hast. Du kennst deine Routinen, du weißt, wie deine Geschichten funktionieren und wie du am besten dafür sorgen kannst, dass dir das Schreiben leicht fällt. Und dann ist es natürlich möglich, jedes Jahr ein Buch zu schreiben oder sogar mehrere. Aber ein Buch ist auch nicht immer im Buch. Du kannst schließlich ein Bilderbuch mit zwölf Doppelseiten nicht mit einem 1000-seitigen Fantasy Schinken oder einem historischen Roman vergleichen. Auch schreiben sich manchmal Bücher aus einer Reihe leichter, weil du nicht bei jedem Buch die Figuren neu erfinden musst und vielleicht schon den Plot für den nächsten Band im letzten angelegt hast.

Manchmal ist es aber auch die Geschichte, die mehr Zeit braucht. Meine ersten drei Romane habe ich jeweils in einem Jahr geschrieben. Drei Monate recherchiert und den Plot entwickelt und dann sechs Monate geschrieben. Dann wurden die Geschichten von einer Lektorin bearbeitet und ich habe noch mal acht Wochen überarbeitet.

Das vierte Buch habe ich genau so angefangen und dann kam alles anders. Nach drei Monaten des Recherchieren und Planens habe ich den Stoff wieder zur Seite gelegt, weil ich keinen Verlagsvertrag bekommen habe. Das Buch passte doch nicht so ganz ins Programm. Nun nehme ich es seit vielen Jahren immer mal wieder zur Hand, probiere neue Konstellation der Figuren und frage mich was noch fehlt, damit ich diese Geschichte erzählen kann. Vielleicht wird es noch fünf weitere Jahre dauern.

Man kann nicht jede Geschichte zu jeder Zeit erzählen

Geschichten erzählen ist eines der persönlichen Dinge, die man tun kann, glaube ich. Damit meine ich nicht nur Bücher, sondern auch Lieder, Filme oder Spiele. Wenn du nicht bereit bist, tief zu schürfen und dich ganz mit der Geschichte auseinander zu setzen, bleibt es oft etwas oberflächlich. Und solche Geschichten möchte ich nicht erzählen.

Es kann also sein, dass du nicht jedes Jahr im Buch schreibst und es kann auch sein, dass du jedes Jahr ein Buch schreibst. Entscheidend ist aber, dass du einen guten Workflow findest für das Erfinden und Schreiben und Überarbeiten und Anbieten deiner Geschichten. Sonst kommst du wie viele andere Menschen ganz schnell an den Punkt an dem deine kreative Energie ausgebrannt ist. Und da kommt man schlecht wieder raus.

Ich hab auf diesem Blog schon oft das Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron zitiert. Julia Cameron hat mit unzähligen Menschen an ihren Kreatiätsblockaden gearbeitet. Um da wieder rauszukommen ist es wichtig, den kreativen Prozess wieder zu genießen und als Spiel zu begreifen.

Wenn dir der kreative Prozess Spaß macht und du dich nicht nur auf das Produkt am Ende konzentrierst, hast du gute Chancen sehr lange sehr kreativ zu sein. Und für den Autoren-Beruf gibt es ja auch kein Renteneintrittsalter. Du bist also nie zu alt und nie zu jung, um eine Geschichte zu schreiben.

Das sind doch in diesen Zeiten endlich mal gute Nachrichten.

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