Eigentlich wollte ich keinen Blogartikel zu meinem Jahresmotto schreiben. Ich habe keins. Wenn ich eins hätte, würde es ja auch niemanden interessieren und eigentlich geht es auch niemanden etwas an. Es ist ganz schön persönlich.
Aber als ich heute Abend mit dem Hund unterwegs war, dachte ich plötzlich: Wenn alle schweigen, weil es zu persönlich ist, dann gibt es ja keine Diskussion und keine Kommunikation. Und eigentlich will ich auch gar nicht mehr schweigen. Also hier ein paar Gedanken zu einem Satz für das neue Jahr – falls es dich interessiert, darfst du es gerne lesen.
Voila, mein Motto für das neue Jahr: Ich bin jetzt laut und bunt.
1. Schwarz ist keine Farbe mehr
Ich mochte schon immer schwarze Klamotten. Als sich mit 14 alle anderen Mädchen in der Klasse blaue oder grüne Gläser und Teetassen gewünscht haben, wünschte ich mir schwarze. Aber ich hatte nie eine richtige Gruftie-Phase. In meinem Schrank hingen zwar ein paar schwarze Hosen und Röcke, aber sonst war es noch recht bunt.
Als ich dann meine erste Stelle als Pastorin angetreten bin, wurde es immer mehr. Ich ging auf in der Rolle, Menschen zu begleiten und mich dabei zurück zu nehmen. Ich hatte viele feierliche oder traurige Besuche zu machen: zu hohen Geburtstagen und zu Trauergesprächen. Irgendwann griff ich nur noch zu den schwarzen Sachen. Damit konnte ich nichts falsch machen. Es war wie eine Uniform, die die Aufmerksamkeit und den Fokus von mir auf mein Gegenüber lenkte.
Das war wichtig und es hat mir außergewöhnliche Gespräche ermöglicht und mir immer wieder wunderschöne Rückmeldungen beschert. Ich konnte auf besondere Weise zuhören und den Menschen, die mir gegenüber saßen, meine ganze Aufmerksamkeit schenken.
Das habe ich mir auch in den folgenden Jahren bewahrt. Doch dann hat sich mein Aufgabenbereich verändert. Ich habe Fortbildungen in Kindertagesstätten gegeben, Lieder für Kinderchöre geschrieben und mit jungen Kolleginnen das freie Erzählen von Geschichten geübt.
Eigentlich gab es keinen Grund mehr für dunkle Farben. Aber da ich es wirklich furchtbar finde, Kleidung zu kaufen, hat sich erst einmal nichts verändert. Denn ich sortiere Sachen nur aus, wenn sie kaputt sind und Putzlappen werden.
Auf geheimnisvolle Weise sind im letzten Jahr zwei dunkelrote Pullis in meinen Schrank eingezogen. Ich weiß gar nicht genau, wann und wo ich sie gekauft habe. Sie sind sehr kuschelig und ich trage sie gerne zu Hause. Ich möchte im nächsten Jahr Stück für Stück meinen Kleiderschrank durchsortieren und einige Dinge in die Altkleidersammlung geben, um Platz für etwas Farbe zu schaffen.
Ich denke, es ist Zeit. Das intensive Zuhören ist mir mittlerweile so selbstverständlich geworden, dass ich wieder üben muss, Small Talk zu machen. Und eine schwarze Uniform brauche ich schon seit Jahren nicht mehr.
Es ist Zeit für Farbe.
2. Schweigen ist keine Option mehr
In jeder Art von Diskussion war meine höchste Priorität immer, alle Menschen ernst zu nehmen. Ich habe viele verschiedene Fortbildungen gemacht, um wertschätzende Kommunikation zu üben und zu lernen, die Perspektive zu wechseln. Ich möchte immer alle Menschen verstehen und stelle tausend Fragen, bevor ich irgendetwas von mir erzähle.
Ich denke, das ist grundsätzlich eine gute wertschätzende Haltung. Aber die anderen werden immer lauter. Farbe bekennen ist auch in der Gesellschaft wichtiger als je zuvor.
Als Pastorin soll ich für alle Menschen da sein und dazu gehört, politisch relativ neutral zu sein. Aber die Menschenwürde ist eine Linie, die niemals überschritten werden darf, und dafür will ich auch auf die Straße gehen. Die Bewahrung der Schöpfung, der Erde, auf der wir leben, ist ein Thema, bei dem ich auch nicht schweigen kann.
Ich habe großen Respekt vor allen, die immer wieder gegen Unrecht kämpfen und ich bleibe in Hamburg und allen anderen Städten an jedem Stolperstein stehen, um die Namen zu lesen und ein kurzes trauriges Gebet zu sprechen. Nie wieder ist jetzt.
Aber ich meine nicht nur ein politisches Schweigen. Ich will auch über meine Schwäche nicht mehr schweigen. Ich war zehn Jahre keinen einzigen Tag krank geschrieben. Als ich dann im letzten Jahr einen Mist nach dem anderen hatte, haben mich viele Menschen in meinem beruflichen Umfeld gefragt, ob ich mich auf eine andere Stelle bewerbe. Nur wenige haben gefragt, wie es mir geht. Ich bin ein Mensch und ich werde krank. Nicht mit Absicht. Aber es ist so.
Ich habe auch meinen Teil dazu beigetragen. Denn ich habe alle Infekte unterdrückt und immer die Zähne zusammen gebissen. Ich habe schon eine Beerdigung gemacht, obwohl ich Fieber hatte. Die konnte ja nicht ausfallen. Die Verwandten waren von weit her angereist. Ich hatte die Gespräche geführt, die Trauerfeier geplant und die Ansprache geschrieben. Niemand konnte das für mich übernehmen.
Wenn es mir richtig schlecht ging, habe ich einen Tag langsamer gemacht und es dann am freien Tage wieder aufgeholt. Kein Wunder also. Wenn ich immer funktioniere und immer weitermache, dann kennen die anderen mich ja nur in diesem Modus.
Im letzten Jahr ging das nicht mehr. Auch mit Zähne zusammenbeißen bin ich nicht mehr durchgekommen.
Ich bin ein Mensch. Ich werde krank.
Aber ich denke auch an andere Dinge, über die ich nicht mehr schweigen werde. Ich habe Anfang letzen Jahres im Rahmen der Akademie für Kindermedien eine Serie entwickelt. Diese Serie drehte sich um das Thema Trauma. Das habe ich erst am Ende der Zeit verstanden, als ich die Writer’s Note geschrieben habe. Darin erklärt man den Menschen, die den Stoff prüfen, was der persönliche Bezug zum Thema ist. Ich habe darin über den Selbstmord meines Großvaters geschrieben, der bei der SS gewesen ist. Ich habe darüber geschrieben, dass ich in einer Alkoholiker-Familie aufgewachsen bin. Mit all den Folgen, die das hat.
Ich habe verstanden, wie schädlich es ist, all diese Dinge immer herunterzuschlucken. In meiner Geschichte entsteht daraus übrigens ein Monster, das die ganze Stadt verschlingen wird. Es nährt sich von Scham und Schuld, von all dem, was wir so herunterschlucken.
Schweigen macht krank. Schweigen ist keine Option mehr.
3. Lieber zu verrückt als zu höflich
Meinen Kindern bin ich ein bisschen peinlich. Das muss wohl ab einem gewissen Alter so sein. Sie schütteln den Kopf, wenn ich beim Essen kochen durch die Küche tanze oder wenn ich über Furzwitze lache (Was sitzt auf dem Klo und ist grün? Oder: Was hat Geburtstag und stinkt?). Ich finde das in Ordnung.
Ich möchte mich im nächsten Jahr trauen noch mehr verrückte Dinge zu tun. Auch außerhalb meiner vier Wände.
Als ich mit 46 Frauen über den Atlantik gesegelt bin, waren viele Menschen total überrascht und haben über dieses Abenteuer gestaunt. Mir kam das gar nicht besonders mutig oder verrückt vor. Es lag einfach immer im Bereich des Möglichen.
Das zeigt mir aber auch, dass ich diesen Abenteuern viel zu wenig Raum gegeben habe. Denn viele Menschen um mich herum kennen diese Seite an mir gar nicht. Oder sie wollten sie bislang noch nicht sehen. Egal. Ich will sie jedenfalls noch mehr ans Licht und unter die Menschen bringen. Denn nur so lernt man ja auch so schön verrückte Menschen kennen, die genau so ticken wie ich.
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Und was ist dein Motto für das neue Jahr? Irgendwelche verrückten Vorsätze?
PS: Wenn du sehr infantile Furzwitze kennst, schreib sie bitte auch in die Kommentare. Aber nur geschmackvolle, bitte 😉