Wenn ich Menschen kennenlerne, erzählen sie mir meist irgendwann: Ich möchte auch ein Buch schreiben, aber…
Und dann kommt eine spannende Geschichte, warum sie damit noch nicht angefangen haben. Es gibt immer 1000 Gründe, warum es gerade nicht die richtige Zeit ist, dein Buch zu schreiben.
Heute zeige ich dir, wie du dich gut auf den Tag vorbereiten kannst, an dem du bereit bist, loszulegen und deinen Traum zu verwirklichen.
1. Was ist mein Thema?
Wovon soll mein Sachbuch handeln? Welches Thema ist der Kern meiner Geschichte?
In vielen Schreibratgebern wird empfohlen, zuerst eine Prämisse festzulegen. Aber ich finde das Thema wichtiger. Die Prämisse ergibt sich daraus.
Am Thema kann man sich auch nach vielen Jahren Schreiberfahrung noch die Zähne ausbeißen. Im letzten halben Jahr habe ich im Rahmen der Akademie für Kindermedien eine Anime Serie entwickelt. Die Hauptfiguren waren schnell in meinem Kopf und auch die Welt, in der die Geschichte spielen sollte, sah ich immer deutlicher vor mir. Die U-Bahn Schächte, der verdreckte Fluss, die Tunnel unter der Stadt…
Aber dann ging es plötzlich nicht mehr weiter. Was sollte der Kern der Handlung sein? Worum geht es? Worauf läuft die ganze Geschichte zu? Welche Frage soll beantwortet werden?
„Was weißt du bereits über deine Geschichte?“, fragte mich eine Kollegin. Es sollte um Schuldgefühle gehen und um die Frage, was mit all dem Leid passiert, was wir einander antun.
Wie könnte ich das symbolisch darstellen? Ich steckte fest. Dann sagte mein Co-Mentor: „Die Hauptfigur ist traumatisiert und die ganze Stadt ist es irgendwie auch.“ Und plötzlich machte es Klick in meinem Kopf und ich kam endlich mit der Planung der Geschichte voran.
Erst als ich verstanden habe, dass es eigentlich um die Verarbeitung und die Überwindung von Trauma geht, ist der Knoten in meinem Kopf geplatzt.
Was ist dein Thema? Was ist der Kern, um den sich alles dreht? Welcher Frage willst du auf die Spur kommen?
Du weißt nicht, über welches Thema du schreiben möchtest?
Dann finde es heraus! Nimm dir dein Notizbuch oder eine SchreibApp und schreibe 15 Minuten lang alles auf, was dir zu den folgenden Fragen einfällt. Mache dabei keine Pause. Bewerte nichts.
- Wofür interessierst du dich?
- Welche Bücher liest du gerne?
- Welche Serien schaust du am liebsten?
- Worüber kannst du dich richtig aufregen?
- Was berührt dich?
- Worüber möchtest du gerne mal gründlich nachdenken?
2. Für wen willst du dieses Buch schreiben?
Mir hat mal die Lektorin eines Kinderbuchverlages erzählt, dass sie Unmengen an “unverlangten Manuskripten” bekommt. Das bedeutet, dass Menschen einen Text schreiben und dann an den Verlag schicken. Niemand hat sie dazu ermuntert. Deshalb nennt man solche Einreichungen „unverlangte“ Manuskripte.
So weit, so gut. Ich fragte, wie oft eine Geschichte von diesen Einreichungen veröffentlicht wird. Sie schüttelte den Kopf. „Fast nie“, war ihre Antwort. Sie erinnerte sich an kein einziges Manuskript, das es von diesem Stapel in ein Bücherregal geschafft hatte.
„Was ist der Grund?“, wollte ich wissen. Schließlich hatte ich in den ersten Jahren genau das Gleiche gemacht. Geschichten geschrieben und an Verlage geschickt.
„Die meisten dieser Texte sind nacherzählte Märchen“, sagte die Lektorin. „Im Anschreiben erzählten die Autorinnen, wie bezaubernd ihre Enkelinnen Omas Nacherzählung von Rotkäppchen finden.“
Es ist wunderbar, eine Geschichte für die Enkel zu erfinden oder nachzuerzählen. Es ist wichtig, die eigenen Erfahrungen an eine besondere Zeit (Flucht, Auswanderung,…) festzuhalten. Auch ein Kochbuch mit den Lieblingsrezepten der Familie kann ein schönes Buch ergeben.
Aber all diese Ideen haben sehr unterschiedliche Zielgruppen bzw. potentielle Leserinnen und Leser. Verlage entscheiden sich auch für Zielgruppen. Ein Verlag, der vor allem Sachbücher rausbringt, ist nicht die richtige Adresse für ein nacherzähltes Märchen.
Und Omas Variante von Rotkäppchen ist für die eigenen Enkelinnen vielleicht toll, weil der Wolf an Onkel Heinrich erinnert, aber für andere Kinder dann eher nicht so spannend. Für diese Geschichte eignet sich eher Selfpublishing oder eine kleine Druckauflage im Print on demand Verfahren.
Schreibe dir also auf, für wen deine Geschichte oder dein Sachbuch interessant sein könnte.
Du musst nicht gleich einen Klappentext und eine Werbeanzeige dazu schreiben. Das ist alles nicht in Stein gemeißelt und kann sich beim Schreiben noch ändern. Aber es ist gut, eine grobe Idee zu haben.
Verbiege dich dabei nicht. Du kannst auch erst einmal selbst die Zielgruppe für dein Buch sein. Oder du selbst vor 5 Jahren, falls es in deinem Buch um Infos oder Erfahrungen geht, die das Leben verändern können.
Viele erfolgreiche Kinderbuchautor:innen schreiben Kinderbücher, die sie als Kind selbst gerne gelesen hätten.
3. Was ist meine Perspektive?
Du erinnerst dich sicher noch vage an den Deutschunterricht und die auktoriale und die personale Erzählperspektive und den Ich-Erzähler.
Aber auch für ein Sachbuch ist die Frage der Perspektive wichtig. Erzählst du rückblickend aus der Perspektive einer Person, die das Problem schon gelöst hat? Machst du einen Reisebericht, weil du selbst noch auf der Suche bist und andere daran teilhaben lässt?
Für alle Texte musst du entscheiden, ob es mehr als nur eine Perspektive gibt. In einem Sachbuch ist das vielleicht die Perspektive deiner Co-Autorin oder einer absoluten Anfängerin, die dein Thema lernen will. In einem Liebesroman sind das die beiden Perspektiven der Hauptfiguren, die sich verlieben, durch ein Missverständnis wieder voneinander entfernen und sich am Ende glücklich in die Arme fallen. Manchmal ist es spannend, ein Thema und das Leben aus mehr als nur einer Perspektive zu sehen.
4. Wer ist mein Protagonist?
Der Protagonist oder die Protagonistin ist die Hauptfigur einer Geschichte. Harry in Harry Potter, Ronja in Ronja Räubertochter, Momo in Momo. Die Hauptfigur macht eine bestimmte Entwicklung durch und findet ihren eigenen Weg. Alle anderen sind die Nebenfiguren. Sie können auch wachsen und sich entwickeln. Aber sie dürfen der Hauptfigur nicht die Show stehlen.
Bei deinem ersten Buch empfehle ich dir, du nur eine Protagonistin haben. Das macht das Erzählen leichter. Später kannst du auch mal mit mehreren Protagonisten arbeiten. Sie müssen nicht alle eine eigene Perspektive bekommen, können es aber. Achte darauf, dass es nicht unübersichtlich wird und deine Leser:innen dir noch folgen können.
Ich arbeite in Romanen für Kinder ab 10 oder 12 Jahren sehr gerne mit mehreren Perspektiven. Es ist dann möglich, den Kindern verschiedene Charaktereigenschaften zu geben und sie zu einem Team werden zu lassen. So kannst du auch Rollenstereotype vermeiden. Eine Figur steht aber im Mittelpunkt und ist der Ausgangspunkt für meine Erzählung.
Achte darauf, dass die einzelnen Figuren auch eine eigene Geschichte bekommen, so dass sie für die Lesenden zu echten Charakteren werden. Mir schrieb mal eine 18 Jährige, die kurz vor dem Abitur stand, wie gut ihr mein Roman „Das Geheimnis des Spiegelmachers“ gefallen hat und dass sie sich manchmal fragt, was aus Nik, Benthe, Ellie und Lucas wohl geworden ist und welche Abenteuer sie noch erleben. Das hat mich sehr berührt. Vor allem, weil ich für diese vier mutigen Jugendlichen noch weitere Geschichten geplant hatte. Ich möchte die Geschichte der vier so gerne weitererzählen und ich weiß, dass es Menschen gibt, denen sie auch am Herzen liegen.
Im Sachbuch kann deine Hauptfigur eine Anfängerin sein, der du alles erklärst, was du gelernt hast. Oder du bist selbst die Hauptfigur und berichtest von deinen Erfahrungen. Vielleicht ist auch dein Thema die Hauptfigur, wie zum Beispiel ein Land, eine Methode oder ein Gerät, über das du schreibst.
5. Wer ist mein Antagonist?
Jede Erzählung braucht einen Schurken und jedes Sachbuch sollte auch die dunkle Seite der Macht zeigen. Oder zumindest ein paar Hindernisse, die einem Reisenden bzw. Lernenden auf dem Weg begegnen könnten.
Der Antagonist oder die Antagonistin verhindert, dass die Hauptfigur bekommt, was sie haben möchte. Am Ende muss sie nicht erfolgreich damit sein, aber sie sollte es der Hauptfigur schon möglichst schwer machen, sonst ist die Geschichte auf Seite 5 schon zu Ende. Und Spannung sucht deine Leserschaft dann auch vergeblich.
In einer Rezension zu meinem Roman „Dragonfly“ hat mal eine erwachsene Leserin geschrieben, sie fand den Antagonisten so gemein, sie wollte einfach immer nur weiterblättern und gar nicht erfahren, was in seinem Kopf los ist und was er für Pläne ausheckt.
So schwarz-weiß muss natürlich kein Bösewicht sein. Er hat in der Regel auch eine Vergangenheit, die ihn zu dem gemacht hat, wer er ist. Mein Bösewicht Eisenhauer hat auch so eine Vergangenheit. Aber die Leserin fand ihn trotzdem einfach nur fies. Zumindest hat Eisenhauer meiner Hauptfigur Charlotte das Leben schwer gemacht, sie gejagt und auch ihrer Mutter große Probleme bereitet. Und das ist nunmal seine Rolle in dieser Geschichte.
Welche Probleme fallen dir ein, die in deinem Sachbuch oder deiner Erzählung eine Rolle spielen und das Erreichen des Ziels verhindern könnten?
Und nun?
Hast du alle 5 Fragen für dich beantwortet? Dann kann es jetzt losgehen! Schreib dein Buch!
Oder lege die Antworten in eine Schatzkiste oder in einen besonderen Ordner. Dort warten sie dann so lange auf dich, bis du bereit bist, das Abenteuer zu beginnen. Versprochen.