Auf Lesungen werde ich von Kindern oft gefragt: „Hast du die ganzen Zeichnungen selbst gemacht?“ Meistens haben die Kinder dabei einen leicht panischen Blick in den Augen. Denn fast jedes Kind traut sich zu, eigene Geschichten zu erfinden, aber nur wenige sind zufrieden mit ihren Zeichnungen.
Ich kann sie dann immer beruhigen. Illustratorin und Autorin sind unterschiedliche Berufe. Es gibt natürlich Menschen, die beides gut beherrschen, aber in der Regel sind wir erfolgreicher, wenn wir uns auf eine Fähigkeit konzentrieren, um die zu perfektionieren.
Ich schreibe auf diesem Blog viel darüber, wie Kreativität funktioniert und sehr wenig übers perfektionieren. Deshalb kommen nach den Fakten und den Erfahrungen mit Kinderbuch Verlagen, die ich in den letzten zehn Jahren gemacht habe, auch noch ein paar verrückte Gedanken.
Wie bewirbt man sich bei einem Kinderbuch Verlag?
Diese Frage habe ich auch recherchiert, als ich vor 15 Jahren angefangen habe, nach Verlagshäuser zu suchen und sie auf den Buchmessen besser kennen zu lernen. Soweit ich weiß, gilt immer noch der Grundsatz, dass du dich mit deiner Geschichte, also einem Text bewirbst. Es macht keinen Sinn, eine Freundin zu bitten, ein paar kleine Häschen zu zeichnen, damit der Sinn deiner Geschichte besser zu verstehen ist.
Lektorinnen haben eine außergewöhnlich gute Vorstellungsgabe und können die Geschichte vor sich sehen, wenn du sie in einem Exposé und einer Leseprobe vorstellst. Sie sind dann auch nicht von den Bildern abgelenkt, die vielleicht gar nicht zu dem Stil der Reihe passen, in der sie dein Kinderbuch sehen. Selbst wenn deine Geschichte für sie interessant klingt, steht der Lektorin immer noch das Gespräch bevor, dass du entscheiden musst, ob du einen Vertrag haben möchtest, wenn deine Freundin keinen Vertrag für die Illustration bekommt. Das kann vielleicht schwierig werden für eure Freundschaft, wenn sie sich dann von dir im Stich gelassen fühlt.
Verlage haben oft einen bestimmten Stil und eine klare Vorstellung davon, was in ihr Programm passt. Wenn du nicht selbst sehr gut zeichnen kannst und es dir wichtig ist, dass die Bilder, die du im Kopf hast, auch auf dem Papier landen, dann bewirb dich bitte nur mit dem Text: Exposé und Leseprobe.
Wer entscheidet, wie die Illustrationen aussehen werden?
Das sind immer die Verlage. Die Lektorin, die deinen Text lektoriert, dir also Anmerkungen schreibt, damit du deinen Text überarbeiten kannst, spricht in Absprache mit ihrer Verlagsleitung mit einer Illustratorin oder einem Illustrator und bespricht den Stil und auch oft die Aufteilung der Illustration auf den Seiten.
Es gibt zum Beispiel Seiten, die sind „durch illustriert“, d.h. du hast in einem Bilderbuch eine ganze Seite Bild und ein kleines Feld für den Text. Es gibt auch Seiten, wo die linke Seite eine andere Situation zeigt als die rechte Seite. Und dann gibt es noch Seiten, auf denen verschiedene kleine Bilder, so genannte Vignetten, zu sehen sind.
Lektorinnen achten darauf, dass die Illustrationen zum Text passen und auch eine gewisse Abwechslung entsteht, damit Kinder unterschiedliche Dinge zu sehen bekommen und in den Bildern entdecken können. Wenn eine Geschichte zum Beispiel ausschließlich in einem Auto spielt und auf jeder Seite des Bilderbuchs das Innere eines Autos gezeigt wird, ist das weniger abwechslungsreich, als wenn es in einem Wald beginnt und auf den nächsten Seiten viele Details aus einem Wald zu entdecken sind.
Dann beginnt der kreative Freiraum der Illustratorinnen. Sie gestalten Zeichnung für Zeichnung zuerst als Bleistift-Skizze, damit sie dann noch einmal mit der Lektorin absprechen können, ob beide mit den Entscheidungen zufrieden sind. Illustratorinnen können deine Geschichte noch einmal sehr bereichern, weil sie nicht deine Bilder im Kopf haben und die Geschichte nicht schon seit Monaten mit sich herum tragen. Sie haben einen frischen Blick und bringen ihre Erfahrungen und ihre Perspektive mit ein. Ihr Blick ist oft überraschend und manchmal großartig. Und manchmal verfremdet es die Geschichte auch etwas und das ist nicht so leicht auszuhalten. Wenn das passiert, dann hilft mir die Vorstellung, dass aus meinem Text und den Bildern von einer anderen Person etwas Neues entsteht. Das ist dann nicht mehr nur meins.
Ähnlich geht es mir auch, wenn ich Texte für Lieder oder Musicals schreibe. Oft klingt das ganz anders, als es sich vorher in meinem Kopf angehört hat, wenn ein Musiker dann seinen Teil dazu gibt und Musik schreibt. Es entsteht etwas Neues aus meinem Text und seiner Musik.
Wie viel Einfluss hat die Autorin auf die Illustrationen?
Ich bekomme Skizzen und Zeichnungen zu sehen, aber ich reagiere darauf nur, wenn ich Dinge sehe, die so nicht zu der Geschichte passen. Das können auch Kleinigkeiten sein wie zum Beispiel eine Illustration in einem Kirchenbuch, bei dem die Kerzen auf dem Altar rot waren. Kerzen auf dem Altar sind immer weiß und rote Kerzen gibt es nur auf dem Adventskranz. An allen anderen Entscheidungen bin ich nicht beteiligt. Und ich bin auch keine Expertin, die sagen könnte, welche Perspektive für diese Zeichnung besser geeignet wäre.
Das bleibt alles in der Hand der Lektorin und der Illustratorin.
Julia Donaldson hat in einem Interview mal erzählt, dass sie sich den Grüffelo immer wie eine Art Alien-Roboter vorgestellt hat. Axel Schäffler hat dem Grüffelo aber eine ganz andere Gestalt gegeben. Wir können natürlich nur mutmaßen, ob auch ein Roboter so viele Herzen im Sturm erobert hätte. Denn zu der kleinen süßen Maus ist das haarige Monster einfach ein sehr guter Gegenspieler. Besonders optisch.
Gerade bei Bilderbüchern sind die Illustratorinnen maßgeblich daran beteiligt, ob sich deine Figuren in die Herzen und Köpfe der kleinen Leserin schleichen können oder nicht. Und dafür sind sie einfach die Expertinnen.
Wer macht Buch Cover? Wer gestaltet den Umschlag?
Auch das Buch Cover liegt in der Hand deiner Lektorin. In Abstimmung mit ihrer Cover-Konferenz bestimmt sie die Richtung und beauftragt einen Grafiker oder eine Illustratorin, das Cover Bild zu malen oder zu gestalten. Das Buch Cover ist eines der wichtigsten Marketinginstrumente für ein Buch. Es muss sehr viele verschiedene Ansprüche erfüllen.
Du möchtest vielleicht, dass alle Aspekte und die Stimmung deiner Geschichte sehr gut auf dem Umschlag präsentiert sind. Das ist auch gut und nachvollziehbar. Aber ein Buch Cover steht in einem Regal in der Buchhandlung und Menschen müssen auf den ersten Blick erkennen können, ob sie so eine Geschichte lesen wollen. Wenn das Cover eher an zeitgenössische Krimis erinnert, ist es in der Romantikabteilung ein Störenfried. In den seltensten Fällen ist es verkaufsfördernd, weil es einfach nur irritiert. Schriftarten und Cover Gestaltung sind sehr stark modischen Schwankungen unterlegen. Das gleiche gilt auch für den Titel. Manchmal sind sie extrem lang und dann wieder sehr kurz und griffig. Ich kann dir hier nur empfehlen deiner Lektorin zu sagen, was du dir wünschen würdest und es dann ganz in ihre Hände zu geben.
Wenn du schon viele Bücher veröffentlicht hast und dich intensiv mit Cover Gestaltung auseinandergesetzt hast, dann kannst du natürlich auch einen Vorschlag machen, in welche Richtung es gehen könnte. Die Entscheidung wird jedoch immer beim Verlag bleiben.
Und im Selfpublishing?
Du hast natürlich alle Freiheiten, wenn du dich fürs Selfpublishing entscheidest. Aber dann musst du genau diese Recherchen zu den Anforderungen an dein Genre und die aktuellen Entwicklungen bei der Gestaltung sehr gründlich durchführen, damit dein Buch gefunden wird. Wenn es dein Buch im Online Buchhandel gekauft wird, muss dein Titel trotzdem erkennbar sein. Auch wenn das Buch nur ein winziges kleines Feld auf dem Bildschirm ist. Das hat Konsequenzen für die Farben und für die Detailreiche deines Covers. Du musst dir hier das Wissen aus verschiedenen Berufen aneignen oder das Geld investieren, damit du diese Leistungen (Lektorat, Korrektorat, Buchsatz, Covergestaltung, Marketing) zukaufen und trotzdem alle Entscheidungen treffen kannst.
Und wenn ich Abwechslung brauche und tausend Dinge ausprobieren will?
Es heißt immer wieder, wir können nur in einer Sache Perfektion erlangen, wenn wir uns auf sie konzentrieren. Ich bin an diesem Satz schon oft verzweifelt. Denn ich möchte einfach zu viele Dinge. Ich möchte natürlich außergewöhnlich gut schreiben, aber ich möchte auch sehr gut singen und segeln und viele andere Dinge. Mein Gehirn braucht diese Abwechslung.
Da funktioniert natürlich jedes Gehirn anders. Aber ich kenne viele Kreative, die die Abwechslung brauchen, um sich lebendig zu fühlen.
Wenn ich für einen Verlag schreibe, dann schreibe ich. Ich mische mich nicht in das Marketing ein, ich gebe nur verhalten Rückmeldung zu Buchcover und Titel. Das wird von mir als professioneller Autorin auch genauso erwartet. Eventuell kann ich Vorschläge oder Änderungswünsche für den Klappentext machen. Aber auch der Klappentext ist nicht wirklich ein Text, in dem du dich verwirklichen kannst, sondern ein Marketinginstrument und fällt damit in den Hoheitsbereich des Verlags. Die Lektorinnen behalten den Markt viel genauer im Auge, als ich das könnte.
Aber ich schreibe ja nicht nur für Verlage. Ich schreibe auch Texte für Musicals und arbeite mit Musikerinnen zusammen. Ich schreibe Texte fürs Radio und arbeite mit anderen Pastorinnen zusammen, wenn wir uns gegenseitig lektorieren. Ich schreibe Texte für meinen Blog und für meinen Instagram Kanal, wo ich kleine Ausschnitte aus meinem bunten Alltag teile. Ich schreibe Texte für Fortbildungen und ich schreibe Briefe und Meditationen.
Und hier beginnt der Spielraum und das Abenteuer. Ich zeichne Bilder und kleine Animationen, ich fotografiere selbst gebastelte Puppen in der Natur oder vor einem Stück Tapete. All das würde nie den Qualitätsansprüchen eines großen Verlags entsprechen, aber es hilft mir, mich weiter zu entwickeln und zu lernen, nicht nur in Texten, sondern auch visuell zu denken.
Was sage ich den Kindern?
Deshalb habe ich in den letzten Jahren meine Antwort auf die Frage der Kinder verändert. Ich sage: „Bitte hör nicht auf, Geschichten zu erfinden! Nutze Worte und nutze Bilder und probier alles aus, was dir in die Finger kommt!“ Denn nur so bekommen wir die Erfahrung und können lernen, große Geschichten zu erzählen.
Ich habe den Eindruck, dass Worte meist weniger kritisch betrachtet werden als Bilder. Unsere Welt ist sehr visuell. Kinder scheinen immer früher aufzuhören zu zeichnen, weil sie sich nicht gut genug finden. So ging es mir auch in der Schule. Alles, was nicht perfekt ist, ist nicht wert, weiter verfolgt zu werden.
Aber Kreativität entsteht im Spiel – und nur dann, wenn wir uns erlauben zu suchen und zu forschen und auszuprobieren.
Julia, Cameron formuliert es so: wir sollen unseren Fokus auf den kreativen Prozess legen und nicht auf das Produkt am Ende.
Ich denke, das bleibt eine lebenslange Aufgabe.